Südostasien und die Megacity Singapur beflügelt in jeder Weise auch in der Literatur, die leider im deutschsprachigen Raum oftmals viel zu kurz kommt.
Städtenamen wie Bangkok, Hongkong, Kuala Lumpur, Shanghai, Singapur, Tokyo stehen heute als Synonyme für einen Erdteil im Aufbruch. Die wirtschaftliche Dynamik, die von den Boom-Regionen Asiens ausgeht, lässt viele ahnen, dass dieser Kontinent das 21. Jahrhundert prägen und wahrscheinlich an die Stelle der Weltmacht USA treten wird.
In Asien
Der Journalist und Schriftsteller Tiziano Terzani hat 30 Jahre lang für den «Spiegel» aus Asien berichtet. Sein nun auf Deutsch vorliegendes Buch «In Asien» ist die Essenz seiner Erfahrungen, das «Testament» eines aufmerksamen Beobachters, der in die asiatischen Kulturen eingetaucht ist. Terzani hat mit seiner Familie in Singapur, Hongkong, Peking, Tokio, Bangkok und New Delhi gelebt und er hat die jeweiligen Landessprachen erlernt. Daher kann Terzani den Menschen Fragen stellen, die anderen aufgrund ihres mangelnden Kontakts zur Bevölkerung erst gar nicht einfallen. Wie kaum einem westlichen Betrachter ist es ihm damit gelungen, die Länder und ihre Menschen von innen heraus zu verstehen und zur «Stimme des Ostens» zu werden.
Der «Spiegel»-Journalist entwickelte sich zunehmend zum sensiblen Chronisten der Ereignisse, die das Antlitz Asiens in den letzten Jahrzehnten geprägt und rasant verändert haben. Immer vor Ort berichtet er in seiner eigenen, hintergründigen Art, u.a. vom militärischen Engagement der USA in Vietnam, dem Fall Pnom Penhs, von der Niederschlagung des Aufstandes am Platz des himmlischen Friedens, von der Übergabe Hongkongs an China oder dem Phänomen der indischen «Räuberhauptfrau» Phoolan Devi. Persönliche Porträts von Mutter Teresa, dem Dalai Lama, vom japanischen Kaiser Hirohito und dem chinesischen Machtpolitiker Deng Xiao Ping verdeutlichen das weite Spektrum asiatischer Lebenserfahrung.
Schöne und grausame Eindrücke entfalten sich: die Friedfertigkeit thailändischer Buddhisten neben der Schreckensherrschaft der Roten Khmer und dem gnadenlosen Kodex japanischer Geheimgesellschaften wie den Yakuza; intaktes und im besten Sinne einfaches Landleben in China neben der Trostlosigkeit Sachalins, um dessen territoriale Zugehörigkeit sich Japan und Russland bis heute streiten.
Beispielhaft für den Ansturm westlicher Ökonomie und des totalen Marktes schildert er seine Eindrücke vom Fujiyama. Seit Menschengedenken beeindruckte die mächtige Gestalt dieses heiligen Berges zahllose japanische Generationen. Auf dem Gipfel des Fuji zu beten bedeutete für Anhänger verschiedenster Glaubensrichtungen eine zentrale religiöse Erfahrung. Sie schlug sich u.a. in zahllosen Haikus nieder, die Japans große Dichter dem Berg gewidmet haben. Doch gerade diese Erfahrung lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, weil der Fuji schon morgens von den Scheinwerfern der Händler erleuchtet wird, die dort ihren religiösen Kitsch anbieten. Von den Fabriken, die sich in seinem Schatten niedergelassen haben, ganz abgesehen.
Seiner journalistischen Laufbahn entsprechend, reiht er zahlreiche Momente aneinander und macht uns dadurch zu Zeugen der historischen Entwicklung und des asiatischen Zeitgeistes. Durch Terzanis ebenso analytische wie sensible Betrachtung verstehen wir die Hintergründe der dramatischen Auseinandersetzungen in Afghanistan, Kaschmir und Tschetschenien. Nicht zuletzt weil sich im Zeitalter der Globalisierung lokale Krisen schnell internationalisieren können, ist das Wissen um die Dynamik in diesen Gebieten bedeutsam. Für eine zusammenwachsende Welt wird gegenseitiges Verständnis der Kulturen, Mentalitäten und Religionen immer wichtiger. Wer könnte uns hierzu besser verhelfen als Tiziano Terzani, der im Osten wie im Westen gleichermaßen zu Hause ist.
Tiziano Terzani, 1938 in Florenz geboren, kennt Asien wie kaum ein anderer westlicher Journalist. Von 1972 bis 1997 war er dort Korrespondent des «Spiegel» – anfangs in Singapur, dann in Hongkong, Peking, Tokyo und Bangkok. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Japan und Thailand ging Terzani 1994 nach Indien. Er starb im Juli 2004 in Orsigna bei Florenz.
Tiziano Terzani: In Asien. 8°. 480 S. Geb. Riemann Verlag, München 2003. Buch bei Amazon.
Lady Sophia Raffles
Mit Skorpionen als Kabinengefährten segelt Sophia Raffles Anfang des 19. Jahrhunderts hochschwanger von Bengulu nach Kalkutta. Sie begleitet ihren Mann, der im Auftrag der East India Company arbeitet, auf zahlreiche Expeditionen und entdeckt das sagenhafte Reich der Minangkabu im Zentrum der Vulkankette Sumatras – wohin kein Europäer je einen Fuß gesetzt hatte.
Doch sie blieb im Schatten des früh verstorbenen Gründers von Singapur, bis die Autorin in spannender Annäherung dieses Leben einer wagemutigen Frau ans Licht brachte. Lady Sophie war die zweite Frau von Sir Thomas Stamford Raffles der im Auftrag der East India Company Anfang des 19. Jahrhunderts bei Singapur die englische Fahne hisste und damit den Briten den Handelsweg nach China sicherte.
Lady Sophie begleitete ihn bei all seinen Unternehmungen. Als erste Europäerin überquerte sie tollkühn die Vulkanketten Sumatras und suchte im noch unentdeckten Zentrum nach dem sagenhaften Reich der Minangkabau, das sie tatsächlich fand und dokumentierte. Mit Tausendfüßlern und Skoprpionen als Kabinengefährten segelte sie hochschwanger von Bengkulu nach Kalkutta, bei der Gründung von Singapur war sie ihrem Mann unentbehrlich. Vier ihrer fünf Kinder fielen in Sumatra Krankheiten zum Opfer. Raffles‘ früher Tod war für Sophie Anlass und Ansporn, die Machenschaften der East India Company aufzudecken und Sir Stamford mit ihrem Buch „Memoir of the Life and Public Services of Sir Thomas Stamford Raffles“ ein Denkmal zu setzen. Sie selbst blieb nicht nur zu Lebzeiten Ihres Mannes in seinem Schatten, ihr Leben nach seinem Tod ist verdunkelt von Geheimnissen, Rätseln und Halbwissen.
Dank detektivischer Suchaktionen in Südostasien, England und dem europäischen Kontinent gelang es Susanne Knecht, dem abenteuerlichen, gefahrvollen und wunderbaren Leben der Sophia Raffles auf die Spur zu kommen und ihr den Ehrenplatz in der Geschichte zu sichern der ihr zusteht.
Susanne Knecht, geboren in Basel, studierte Ethnologie und Religionswissenschaften und war am Aufbau eines Migrationsinstitutes an der Universität Neuchâtel beteiligt bevor Sie das Unternehmen Sophia Raffles, mit längeren Aufenthalten in Südostasien, Sumatra und Malaysia begann. Sie lebt heute als Journalistin in Basel und Italien. Von ihr erschienen „Lady Sophia Raffles auf Sumatra“ und „Eliza Fraser. Schiffbruch vor Australiens Küste“.
Susanne Kecht: Sophia Raffles auf Sumatra. Ein wagemutiges Leben. Kl. 8°. 282 S. mit 20 Abb. Pp. Piper Verlag. München August 2003. Buch bei Amazon.
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Zheng He, die Drachenflotte des Admirals
Er ist der größte Seefahrer und Entdecker der asiatischen Geschichte, aber im Westen bislang kaum bekannt: Zheng He. Mit seiner gigantischen Flotte segelte er im 15. Jh. um die halbe Welt, von China über Indien nach Ostafrika – 100 Jahre bevor Kolumbus Amerika entdeckte.
Der weltbekannte National-Geographic-Fotograf Michael Yamashita folgte Zheng Hes Reiseroute, der renommierte Historiker Gianni Guadalupi recherchierte das Leben des Helden. Das Ergebnis der Spurensuche: ein prächtiger Bildband mit sachkundigen Texten und originalen Auszügen aus den Schriften des Chronisten Zheng Hes, Ma Huan.
Auf dem Höhepunkt der Macht der Ming-Dynastie, unter dem ehrgeizigen Kaiser Zhu Di, befehligte Zheng He als kaiserlicher Admiral die weltweit größte Flotte der damaligen Zeit: Hunderte von Fracht-, Kriegs- und Versorgungsschiffen sowie mächtige Schatzschiffe, von denen eines zehnmal so groß wie Vasco da Gamas Flaggschiff war. Tausende von Seeleuten nahmen an den insgesamt sieben Expeditionen des Admirals teil, die sie zunächst bis Ceylon, später über den heutigen Iran bis an die afrikanische Ostküste nach Kenia führten. Zheng He begegnete den Fremden als Entdecker, Geschäftsmann und Diplomat.
Seine Schiffe hatten Tonnen chinesischer Seide, Keramik und Kupfermünzen geladen, die gegen exotische Gewürze, Edelsteine und Textilien getauscht wurden. Wo nötig, kämpfte der Admiral mit seinen Leuten gegen Seeräuber und griff in regionale Kriege ein. Dank seines diplomatischen Geschicks schuf er auf diese Weise ein ganzes Netz von Verbündeten, die dem chinesischen Kaiser Tribut darbrachten und dessen Macht rund um den Indischen Ozean festigten.
Ein großartiger Bildband über eine bislang unbeachtete Ikone in der Geschichte der Seefahrt – Michael Yamashita und Gianni Guadalupi setzen Zheng He mit diesem Buch ein einzigartiges Denkmal.
Michael Yamashita hat als Fotograf sämtliche Kontinente bereist, doch seine größte Leidenschaft gehört Asien. Er verbrachte lange Zeit in Singapur, Thailand und Japan und verfolgte den Lauf des Mekong von der geheiligten Quelle in China bis zur Mündung ins südchinesische Meer. Yamashita ist ein vielseitiger Fotograf: Seine Porträts sind berührend, seine Reportage-Fotos und Landschaftsaufnahmen atemberaubend. Zahlreiche Preise krönen seine Arbeiten, die u.a. in der National Gallery of Art der USA ausgestellt wurden. Yamashita arbeitet seit 1979 für National Geographic, bei Frederking & Thaler erschien von ihm bisher der international erfolgreiche Bildband “ Marco Polo“. Gianni Guadalupi ist Historiker und Autor zahlreicher Bücher, Spezialist für die Geschichte der Entdeckungen ebenso wie für fantastische Reisen in der Literatur. Er schrieb die Texte zu den Bildbänden “ Marco Polo“ und “ China – 2500 Jahre Entdeckungsreise vom Altertum bis ins 20. Jahrhundert“.
Michael Yamashita: Die Drachenflotte des Admirals Zheng He. Kl. 4°. 450 S. ca. 300 Farbfotos. Lam. Pb. Frederking & Thaler, München September 2006. Buch bei Amazon.
Archäologie und Geschichte Südostasiens
Erstmals in deutscher Sprache stellen die Herausgeber einen Überblick zu aktuellen Themen der Archäologie und Geschichte von Südostasien vor. «Im Schatten von Angkor: Archäologie und Geschichte Südostasiens»: Angkor, als einer der Magnete für Forschung und Tourismus, hat zahlreiche archäologische Stätten in Südostasien in den Hintergrund treten lassen, die der „Bildband zur Archäologie“ in beeindruckender Weise ausgräbt. Die einzelnen Beiträge widmen sich zum Beispiel den Felsenmalereien in Nusantara, dem Hochland von Sumatra, der Megalithkultur auf Nias, der Anlage des → Borobudur und den Tempel in Ostjava. Aber auch die Tempel von Bagan, die Vorgeschichte der Philippinen und Singapur als Schnittstelle im Seehandel im 14. Jhd. werden gewürdigt. Abgerundet werden die vorzüglich mit Karten und Bildern illustrierten Beiträge mit Exkursen zur Themen wie Keramik, Bronze und Silber aber auch traditioneller Salzherstellung. Ein rundum gelungener Band zur frühen Kulturgeschichte von Südostasien.
Tjoa-Bonatz, Mai Lin / Reinecke, Andreas (Hrsg.): Im Schatten von Angkor. Archäologie und Geschichte Südostasiens. 4°. Geb. 144 S. mit 155 farb. Abb. und 12 Kt., Bibliogr. Geb. Zabern, Darmstadt, 2015. Buch bei Amazon.
Singlish und die Singapore Book Awards
Mit neunzehn neuen Lehnwörtern aus dem chinesischen und malaiischen sowie mit englischsprachigen Varianten, die zum Teil nur in Singapur verwendet werden, zieht Singapur English «Singlish» im März 2016 in das renommierte Oxford English Dictionary ein. Hierzu gehören unter anderem kreative Wortschöpfungen wie Killer Litter, Müll bzw. Gegenstände, die aus Hochhäusern geworfen werden bzw. von diesen herabfallen und Passanten gefährden oder Chinese Helicopter, eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für einen Singapurer der überwiegend eine Ausbildung in Mandarin erhalten und hat und dessen Kenntnisse der englischen Sprache beschränkt sind. Ausdrücke wie Teh Tarik (süßer Tee mit Milch) und Wet Market (ein Markt u.a. für frischen Fisch und Fleisch) werden nicht nur in Singapur und Malaysia, sondern mittlerweile zum Teil auch in ganz Südostasien verwendet.
Sonny Liew’s weithin bekannter Comic-Roman The Art of Charlie Chan Hock Chye, der im vergangenen Jahr eine Kontroverse auslöste, nachdem das National Arts Council seinen Druckkostenzuschuss zurückzog, ist das erste Buch seines Genres das es auf die Shortlist der Singapur Book Awards 2016 geschafft hat. Ein anderes nominiertes Buch ist das hochinteressante Werk von Dr Lai Chee Kien Through the Lens of Lee Kip Lin: Photographs of Singapore 1965-1995, das Einblicke in zum Teil schon fast vergessene Facetten von Singapur erlaubt. Das Buch präsentiert rund 500 Fotografien und weniger bekannte Fakten über Singapur, wie die verschiedenen Arten von Shophouses.
Liew, Sonny: The Art of Charlie Chan Hock Chye. Gr. 8°. 320 S. Pantheon Graphic Novels 2016. Buch bei Amazon.
Chee Kien, Lai: Through the Lens of Lee Kip Lin. Photographs of Singapore 1965-1995. Gr. 8°. 208 S. Editions Didier Millet Pty Ltd. 2008. Buch bei Amazon.